Tempranillo ist eine rote Rebsorte mit vielen Namen. Das hängt mit dem in Spanien weit verbreiteten Regionalstolz zusammen. Tinto Fino, Tinta de Toro, Cencibel oder Ojo de Liebre – all diese Bezeichnungen meinen eigentlich Tempranillo. Es sind die Bezeichnungen in diversen spanischen Dialekten und Regionalsprachen. In Portugal heißt die Sorte zumeist Tinta Roriz oder Aragones.
Tempranillo ist eine Kreuzung der weißen Traube Albillo Mayor mit der roten Benedicto. Diese Benedicto gibt es nur im Ebro-Tal in Aragonien oder Aragon. Deswegen weiß man, dass der Tempranillo auch von dort stammen muss. Er ist vor vermutlich tausend Jahren entstanden und hat sich von da verbreitet. Heute wächst Tempranillo auf der gesamten iberischen Halbinsel. Die mit ihm bestockte Rebfläche beträgt über 120.000 Hektar, was mehr als der gesamten Weinfläche Deutschlands entspricht.
Im Ausbau im Keller ist Tempranillo sehr wandlungsfähig. Ähnlich der weißen Rebsorte Chardonnay verändert er seinen Charakter sehr, wenn man ihn im Holzfass ausbaut. Vergärt man ihn im Stahltank und zieht ihn frühzeitig von der Hefe ab, ergibt er frische, fruchtige Rotweine. Durchläuft er eine malolaktische Gärung, liegt länger auf der Hefe und dies in einem Barrique (Holzfass), kommt er ausladend und würzig ins Glas. In den wärmeren Regionen, wie etwa dem Ribera del Duero, fügen die Winzer dem Most meistens Weinsäure vor der Vergärung zu. Die charakteristische Säure des Tempranillo ist also nicht immer natürlichen Ursprungs.
Tempranillo hat mit dem großen Italiener, dem Sangiovese, gemein, dass er jahrzehntelang kaum reinsortig in die Flasche kam. Die berühmten Weine aus der Rioja sind fast alle eine Cuvée mit einem Anteil Garnacha und Mazuelo, international eher als Grenache und Carignan bekannt. Die Weine des Ribera hingegen kommen meist mit etwas Cabernet, Merlot oder Malbec daher. Lediglich das Anbaugebiet Toro hat eine längere Tradition beim reinsortigen Ausbau des Tempranillo. Und im Ribera wie in der Rioja ist in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Spitzenweinen entstanden, die auch auf Reinsortigkeit setzen.
5-Euro-Rotwein, den man einen ganzen Abend mit Vergnügen trinken mag, das können Sangiovese und Tempranillo definitiv besser als Cabernet und Merlot. Deswegen sollte sich jeder, der sich für Wein interessiert, einmal mit diesen Rebsorten beschäftigen. Aber natürlich machen die etwas höherpreisigen Weine ein bisschen mehr Spaß und zur Beschäftigung mit Tempranillo gehören auch die klassischen Cuvées. Reinsortigkeit ist kein Selbstzweck.
Die Rebsorte verstehen kann man nur, wenn man die Tradition mit probiert also insbesondere klassische Riojas. In Folge 10 haben wir erklärt, dass die spanische Weinklassifikation oft über die Lagerdauer in Fass und Flasche definiert wird. Der Joven ist derjunge Wein, der kurz nach der Gärung gefüllt und jung getrunken wird. Und mit einem solchen Joven solltet Ihr die Erkundung des Tempranillo starten. Er hat meist etwas weniger Alkohol, was immer noch 13plus Prozent heißt, kein Holz und ist öfter reinsortig als die großen Reservas. Joven ist nicht automatisch billige Massenware. Es gibt sehr gute und es gibt auch ungewöhnliche, ungeschwefelte Freakweine in dieser Liga.
Und dann trinkt Ihr einen Tempranillo mit ein oder zwei Jahren Holzfassreife. Im Weinpaket der Webweinschule findet Ihr einen solchen Wein natürlich auch. Danach ist klassischer Rioja Pflichtprogramm: der Dreiklang Crianza, Reserva und Gran Reserva: von einem guten Erzeuger alle drei Qualitätsstufen parallel trinken mit ein paar Freunden, das macht wahnsinnig viel Spaß.
Nahezu alle roten Super-Premiumweine Spaniens sind mehrheitlich Tempranillo. Und es ist locker möglich über 1000 Euro für einen Wein auszugeben. Doch zum Glück gibt es auch Kultweine deutlich unter Einhundert Euro. Zwei Weine, die Ihr einmal probieren könnt, wenn Ihr in die Welt der Spitzenweine einsteigen wollt, sind der Prado Enea von Muga und der Aalto PS von der Bodegas Aalto. Auch in der Kategorie der jungen Wilden finden sich schon Kultweine, etwa die Gewächse des in der Region Arlanza tätigen Franzosen Olivier Riviére.
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