Spätburgunder oder Blauburgunder (wie er in Österreich heißt) klingt weit weniger magisch als Pinot Noir, weswegen die meisten Weinfreaks kurz vom Pinot reden, wenn sie über den Rotwein sprechen, der wie kaum ein zweiter polarisiert, weil er weniger vollmundig und stärker von Säure geprägt ist, als die meisten anderen Rotweine.
Der Spätburgunder ist von unbekannter Herkunft, sowohl was die Region angeht, als auch mögliche Kreuzungseltern, eventuell ist er eine spontane Mutation einer Wildrebe. Er wächst an vielen Orten der Welt, stammt aber vermutlich aus dem Burgund. In Deutschland ist er seit dem Jahr 884 heimisch, als Karl der Dicke im Bodmaner Königsweingarten in Bodman am Bodensee die ersten Rebstöcke dieser Sorte pflanzen ließ. (Das sei nur erwähnt, da es da eine gewisse Namensähnlichkeit zum Verfasser dieser Zeilen gibt).
Als Standort bevorzugt der Spätburgunder eher kühle Lagen, in südlichen Gefilden sind dies oft Weingärten in Höhenlage, so dass alle Weinbaunationen der Welt ihre Spätburgunder-Zonen haben, außer ausgerechnet Spanien, das Land mit der größten bestockten Rebfläche der Welt. Aber der Pinot stellt noch mehr Ansprüche an seinen Standort: Er mag keinen Wind, ist empfindlich gegen Trockenheit und Fäulnis. Im Anbau ist der Spätburgunder eine echte Zicke, auch weil er dünnschalig ist.
Kühle Standorte sorgen für eine spürbare Säure im Wein, die dünnen Schalen limitieren den Gehalt an Gerb- und Farbstoffen; so ergibt die Traube in der Regel einen eher hellroten, manchmal fast durchsichtigen, tanninarmen Rotwein, wenngleich viele Winzer über Kaltmazeration ein Maximum an Frucht und Tannin aus der Maische ziehen. Hierbei maischt der Winzer die Trauben ein und lässt die Maische dann gut gekühlt längere Zeit stehen. Vergärt er hinterher unter Zugabe einiger Rappen, also Stengel, und nutzt ein stark getoastetes Holzfass für die Reifung, kann er auch aus Spätburgunder einen sehr vollen Wein zaubern, der die Zunge so richtig pelzig macht. Die meisten Winzer übertreiben es aber nicht mit diesen Maßnahmen und produzieren die beschriebenen eher seidigen und feinen Rotweine aus der Spätburgunder-Traube.
Jeder, der sich mit Wein beschäftigt, sollte sich auch einmal dem Spätburgunder widmen. Die längere Beschäftigung ist jedoch vor allem für diejenigen Weintrinker interessant, die sich für einen Rotwein begeistern können, der seine Struktur eher einer tragenden Säure als deutlichem Alkohol und mächtigen Gerbstoffen verdankt. Diese tragende Säure spielt erst recht bei weiß oder rosé gekelterten Spätburgundern eine Rolle, wenn diese als Grundwein für flaschenvergorene Schaumweine dienen. In der Champagne stellt Pinot Noir die verbreitetste Rebsorte dar und auch in Italien oder Deutschland entsteht ein erheblicher Teil der Spumante und Sekte aus dem Spätburgunder. Bei den teureren Weinen landet der Weintrinker ganz schnell im Burgund, in dessen oberster Liga der Pinot die teuersten Rotweine der Welt ergibt.
Doch dankenswerterweise steht vor der Begegnung mit den teuren Kultweinen erst mal ein Ausflug an die Basis oder ins Mittelsegment. Einen guten Gutswein vom Spätburgunder erhaltet Ihr bei vielen deutschen Winzern noch unter zehn Euro. Zwischen zehn und zwanzig Euro könnt Ihr herausragende Weine aus Deutschland, Österreich oder auch aus Südafrika erhalten. Erst wenn diese Weine bei Euch helle Begeisterung auslösen, solltet Ihr Euch mit den Kultweinen beschäftigen. Deutschlands Top-Spätburgunder heißt schlicht ‚Pinot Noir‘ und ist vom Weingut Becker aus Schweigen. Spätburgunder von Huber, Fürst oder Stodden stehen diesem jedoch in nichts nach. Und auch der von uns schon interviewte Andreas Rings mischt in Deutschland ganz weit oben mit.
Wenn wir Anfängern vom Burgund abraten, so nur aus dem Grund, dass es arg unübersichtlich und häufig sehr hochpreisig ist. Wer sich mit dem Pinot-Virus infiziert, den zieht es allerdings sehr schnell in das Mutterland der Sorte – und das ist auch gut so.
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