Ihr könnt einem Wein von außen nicht ansehen, ob es ein guter Wein ist. Zweifelsohne werdet Ihr immer wieder in die Situation kommen, dass in einer Weinrunde ein ‚Experte‘ erklärt, wie gut ein Wein ist, bevor überhaupt jemand einen Schluck genommen hat. Da werden dann die Farbe und die Kirchenfenster (dazu gleich mehr) ins Feld geführt, die herrliche Nase gepriesen und der Wein vorzeitig aufs Podest gehoben. Das ist alles völlig in Ordnung, solange nicht Ihr der Wichtigtuer seid, der mit angelesenem Halbwissen meint einen Wein von außen begutachten zu können.
Wir haben schon gigantische Rieslinge getrunken, die heftig nach Tankstelle gestunken haben und sind schon Weinen begegnet, die rochen, wie wir uns den Duft des Garten Eden vorstellen, um im Mund dann als schale Brühe zu verenden. Wir haben uns von der satten Farbe dünner Tropfen blenden lassen und Weine erlebt, die lustlos rostbraun aus der Flasche ins Glas schwappten, um dann am Gaumen ein Feuerwerk abzubrennen, dass alle Anwesenden ein Halleluja anstimmten. Die äußeren Eigenschaften Farbe, Viskosität und Geruch sind nicht unwichtig, sie eignen sich aber vor allem dazu, offensichtliche Fehler zu erkennen – Qualitätsmerkmale von Wein sind sie nur selten. Aber der Reihe nach.
Verschiedene Rebsorten ergeben verschiedene Farbtöne. Ein Müller-Thurgau ist durchscheinender als ein Pinot Grigio/Grauburgunder, ein Syrah farbintensiver als ein Spätburgunder, insofern existieren Erwartungswerte an die Farbe eines Weines. Mit zunehmenden Alter werden Weißweine dunkler bis hin zu braun (was in der Weinsprache gerne hochfarben genannt wird) und Rotweine werden heller, verschieben ihr Farbspektrum oft von dunkelrot mit violetten Reflexen hin zu helleren und ins Orange tendierenden Tönen. Bei den Weißweinen ist Oxidation die Hauptursache, bei Rotweinen das Ausfällen der Farbstoffe durch Polymerisation – vereinfacht gesagt, verbinden sich die Farbstoffe miteinander oder mit den ebenfalls zu den Phenolen gehörenden Tanninen. Sie sinken auf den Boden der Flasche und bilden das Depot.
Diese Prozesse dauern ewig. Ein drei Jahre alter Wein sollte weder bernsteinfarben sein, noch ein nennenswertes Depot aufweisen. Insofern kann man aus der Farbe auf Fehler schließen. Erfüllt die Farbe die Erwartungen ist der Wein aber nicht automatisch gut. Gleiches gilt für die Klarheit. Weißwein (und Rosé) muss klar sein. Ist er trüb, hat er ein Problem (einige wenige Ausnahmen von dieser Regel gibt es). Meist ist er dann auch geschmacklich negativ beeinträchtigt.
Und noch ein Herzenswunsch: Bringt nie – und wir meinen nie! – den Spruch: ‚Ich trinke keine Rotweine, durch die ich durchgucken kann.‘ Dann ist Felix persönlich beleidigt. Er hält das für den dümmsten Spruch der Weinwelt. Wenn Ihr wissen wollt wieso, dann findet Ihr hier seine Gedanken dazu.
Das Märchen ist nicht totzukriegen: Schwenkt man den Wein läuft er behäbig an der Glaswand herab, bildet dabei Bögen und Schlieren, die an Kirchenfenster erinnern. Angeblich ist der Wein umso besser, je dicker und behäbiger die Kirchenfenster sind. Tatsächlich ist es ein physikalisches Phänomen, das dahinter steckt und an dem ist vor allem Alkohol beteiligt. Da Wasser und Alkohol nicht die gleiche Siedetemperatur haben, Alkohol flüchtiger ist, verdampft an der Glaswand, wo der Wein wärmer wird, der Alkohol, die Flüssigkeit verändert ihre Konsistenz und es kommt zu einem physikalischen Phänomen namens Marangoni-Effekt. Dieser zieht, bildlich gesprochen, ein wenig Wein die Glaswand hoch. Je zähflüssiger der Wein, desto imposanter ist der Effekt dann zu beobachten. Und zähflüssig kann ein Wein aus verschiedenen Gründen sein, einer ist Glycerin. Je mehr Glyzerin im Wein, desto stärker der Effekt, aber Glyzerin ist keines der Qualitätsmerkmale von Wein. Weil Weintrinker aber so beharrlich an das Märchen glauben, fingen schwarze Schafe unter den Weinproduzenten irgendwann an ihrem Wein heimlich Glyzerin zuzusetzen. In den Jahren 2007 und 2008 zogen die verschiedenen Weinkontrollämter in Deutschland diverse ausländische Weine deswegen aus dem Verkehr und prüfen seitdem regelmäßig auf künstliches Glyzerin.
Zwar ist Extrakt – so heißen die Inhaltsstoffe des Weines in der Fachsprache – auch ein Grund für die Kirchenfenster, was genau bei einem Wein aber nun überwiegt, kann man nicht an der Schlierenbildung ablesen. Wie bei der Farbe gilt auch hier: die Beobachtung kann Hinweise auf schlechten Wein liefern, nicht aber auf guten. Ein dicker Chardonnay aus dem kleinen Holzfass mit 14% Alkohol liefert Schlieren an der Glaswand, sonst ist etwas nicht in Ordnung. Ein einfacher Müller-Thurgau mit 11 Prozent Alkohol und Kirchenfenstern, die zum Kölner Dom passen, sollte Euch stutzig machen.
Der Duft eines Weines hat seinen eigenen Fachbegriff: Bukett oder Bouquet. Viele Weinfreunde sprechen aber einfach von der Nase eines Weines. Wir werfen die Begriffe in der Weinschule fröhlich durcheinander.
Manche Weine duften so gut, dass man den ganzen Abend die Nase ins Glas halten möchte. Wer einmal den betörenden Duft aufgenommen hat, ist bei der Beurteilung des Geschmacks nicht mehr unvoreingenommen. Die Wahrscheinlichkeit den Geschmack positiv zu bewerten, wenn der Duft gut war, liegt höher als bei einer flachen oder gar unangenehmen Nase. Meistens schmecken wohlriechende Weine auch sehr gut. Dass die Nase himmlisch, der Wein grottig ist, kommt jedoch auch regelmäßig vor. Dass Wein unangenehm riecht und wundervoll schmeckt ist ein häufiges Phänomen. Beispiele sind Töne, die an Schweiß erinnern und während der Rotweinreifung entstehen, ohne den Geschmack negativ zu beeinflussen und Gerüche, die Assoziationen von Petroleum und Diesel wecken und bei der Alterung vieler Rieslinge auftreten.
Die Nase ist also eines der trügerischen Qualitätsmerkmale von Wein. Nichtsdestotrotz solltet Ihr euch dem Bukett eines Weines intensiv widmen. Es macht dem Weinfreund schlicht Spass, die Nase ins Glas zu halten. Nur mit der Aussage ‚großartiger Wein‘ solltet Ihr warten, bis Ihr den Stoff auch im Mund gehabt habt.
Umgekehrt sind allerdings die meisten echten Weinfehler direkt am Duft des Weines erkennbar. Weinfehler werden wir später noch ausführlich behandeln, soviel aber vorweg: Brett stinkt nach Viehstall und nassem Hund, flüchtige Säure sticht in der Nase, Essigstich sowieso, UTA riecht dumpf, Kork- bzw. TCA-Verseuchung riechen unverwechselbar, Geranienton und Mäuseln sind gar nach ihrem Geruch benannt. In Anlehnung an eine vorgebliche Weisheit über das starke Geschlecht dürft Ihr also kalauern: An der Nase eines Weines, erkannt man ob er gemein ist.
Wenn all diese äußeren Eigenschaften nur bedingt als Qualitätsmerkmale von Wein taugen, wie erkennt man dann einen guten Wein? Geht Ihr in eine Weinhandlung und sagt, ich hätte gerne einen guten (oder leckeren) Wein, antwortet der Händler vermutlich: Alle meine Weine sind gut (und lecker). Verlangt Ihr ‚einen Wein, der mir schmeckt‘, kann der Händler nur zu seinen Bestsellern greifen und sagen: das sind die Weine, die den meisten Kunden schmecken. Ihr kommt also nicht umhin, ein wenig darüber zu sprechen, was Euch an Weinen gefällt. Und das herauszufinden, in Worte zu fassen und als Euren eigenen Geschmack zu definieren, werden wir in den folgenden Episoden der Webweinschule in Angriff nehmen. Bleibt dran!
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