Primitivo ist eine Rebsorte, die lange Zeit als der autochthone Star Süditaliens galt. Autochthon ist so etwas ähnliches wie eingeboren: man nennt Rebsorten so, wenn sie erstens aus einer Region stammen und zweitens mehr oder weniger nur dort wachsen. Autochthon ist also nicht das gleiche wie typisch, denn Silvaner ist sehr typisch für Franken, wächst aber auch im Elsaß und in Rheinhessen. Und die Rebe muss natürlichen Ursprungs sein. Dornfelder wächst zwar nur in Deutschland, ist aber eine Neuzüchtung.
Unter den vielen autochthonen Juwelen Süditaliens – etwa Nero d’Avola oder Negroamaro – war der Primitivo der gefeiertste. Doch dann kam der Doppelschlag: binnen kürzester Zeit erwies sich der Primitivo als identisch mit dem kalifornischen Zinfandel. Und dann fanden Forscher heraus, dass die Rebsorte erst seit wenigen Hundert Jahren in Süditalien heimisch ist, sehr viel länger aber schon in Dalmatien. Dort heißt sie ‚Crljenak’, was so viel wie ‚der Rötliche‘ heißt. Der eingeborene Italiener war also in Wirklichkeit ein nach Amerika ausgewanderter Kroate. Das mussten die Italiener erst einmal verdauen. An seinen Eigenschaften ändert das freilich nichts. Primitivo ist eine robuste Rebsorte mit stabilen, hohen Erträgen, die sehr gut Hitze verträgt.
Die große Popularität – auch im Vergleich zum eigentlich identischen Zinfandel – verdankt die Rebe der Machart typisch italienischer Primitivos. Diese sind in der Regel etwas süß. Die Regeln, nach denen Primitivo entsteht, etwa als Primitivo di Manduria DOC oder Primitivo di Puglia IGT, erlauben einen Restzucker im fertigen Wein von teilweise 18 Gramm pro Liter. Schon ab ungefähr 2 Gramm schmeckt auch ein untrainierter Genießer den Zucker, wenngleich man diesen gerne mal mit ‚schöner Frucht‘ verwechselt. Daneben zeigt ein typischer Primitivo vor allem Beerenfrucht und würzige Aromen, deutet Zimt und Nelke an.
In der Summe sind die meisten Primitivos also leicht süße Weine mit trockenem Image und dem Geschmack von Weihnachten. Zumindest für Menschen aus nördlichen Ländern, wo Weihnachten untrennbar mit Aromen von Zimt und Nelke verbunden ist. Genau solche Länder, etwa Deutschland und Polen, stellen den größten Markt für Primitivo dar.
Aber wir wollen nicht lästern. Ob ein Wein süß oder trocken ist, sagt nichts über seine Qualität aus. Die ist bei den meisten Primitivos solide. Es ist ein guter Wein, selten herausragend. Entsprechend gibt es keine Kultweine aus der Sorte. Einzelne Weingüter verlangen für ihre Spitzenerzeugnisse Preise bis 50 Euro. Aber Teil des internationalen Weinkanons, also der Weine die man mal getrunken haben sollte, ist keiner dieser Weine. Wir empfehlen daher: probiert einen einfachen Primitivo und wenn er Euch gefällt, dann noch einen zweiten. Mehr Beschäftigung mit der Rebsorte muss nicht sein, denn manche Weine sind einfach zum trinken da, ohne jeden Schnickschnack – leckerer Primitivo zum Beispiel.
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