Malolaktische Gärung ist eine Bezeichnung, die eher verwirrend, aber trotzdem geläufiger als der eindeutige Name ‚Biologischer Säureabbau‘ (BSA) ist. Aber schicken wir der Theorie ein wenig Praxis vorweg. Die malolaktische Gärung sorgt dafür, dass Weine weniger sauer schmecken und ihr Mundgefühl ins cremige und körperreiche tendiert. Der Winzer nutzt sie als Stilmittel, um einen Geschmack zu erzielen, den er sich für seinen Wein wünscht. Allerdings hat nicht jeder cremige oder körperreiche Wein eine malolaktische Gärung durchlaufen. Beschäftigt Ihr euch regelmäßig mit Wein und kommt häufiger mit Produzenten ins Gespräch, dürftet Ihr auch das Stichwort malolaktische Gärung (oder biologischer Säureabbau) häufiger hören. Es lohnt sich also sich damit zu beschäftigen.
Bei der ‚Malo‘ wie Ihr sie auch abkürzen dürft, handelt es sich um eine zweite Gärung, die mit der ersten, alkoholischen, nichts zu tun hat und deren Ergebnis auch nicht Alkohol, sondern Milchsäure ist. (Genau genommen handelt es sich nicht um eine Gärung, sondern um eine Decarboxylierung, aber das ignorieren wir mal für eine Sekunde.) Ein Bakterium wandelt Äpfelsäure in Milchsäure und Kohlendioxid (plus geringe Mengen Nebenprodukte, die wir auch ignorieren). Pi mal Daumen werden aus 2 Gramm Äpfelsäure 1 Gramm Milchsäure und diese schmeckt auch deutlich weniger sauer. Allerdings gelingt der Vorgang nur mit Äpfelsäure, nicht mit Weinsäure. Hat ein Wein vor der malolaktischen Gärung beispielsweise eine Gesamtsäure von 7 Gramm pro Liter lässt das keine Schlüsse darauf zu, wieviel Gesamtsäure er nach dem BSA haben wird. Dazu muss der Winzer den Anteil der Äpfelsäure an der Gesamtsäure kennen. Die malolaktische Gärung findet in der Regel nach der alkoholischen statt, kann aber auch gleichzeitig mit ihr geschehen. Hauptakteur ist das Laktobazillus Oenococcus oeni, das aber nicht als einziges für den BSA in Frage kommt. Ist dieses Michsäurebakterium erst einmal in der Kellerflora heimisch, ereignet sich die malolaktische Gärung mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit. Vergärt oder liegt der Wein in einem Holzfass, dass schon vorher Heimat eines biologischen Säureabbaus war, findet dieser fast sicher wieder statt, es sei denn, der Winzer desinfiziert es deutlich gründlicher als üblich. Beim Rotwein findet der BSA häufiger statt als beim Weißwein und ist dort eher die Regel als die Ausnahme.
Manchmal ereignet sich ein BSA, obwohl der Winzer dieses nicht will. In der Regel ist er aber leicht vermeidbar, etwa durch frühe Schwefelung der Weine nach der alkoholischen Gärung. Viele Winzer, die in Ihrem Weinstil keinen BSA wollen, sortieren Fässer, die einmal einen gemacht haben aus und verkaufen sie. Andere vinifizieren Rot- und Weißwein in separaten Kellern, haben regelrechte BSA-Trakte in ihren Gewölben. Wer seine Kellerhygiene ernst nimmt, hat mit ungewollter malolaktischer Gärung wenig Probleme. Der umgekehrte Fall kommt quasi gar nicht vor: bleibt eine erwünschte malolaktische Gärung in einem Wein aus, setzt der Winzer Oenococcus oeni einfach zu, man kann es in Pulverform kaufen. Für einige Rebsorten und Weinstile ist der BSA üblicher als für andere, Chardonnay durchläuft ihn beispielsweise häufiger als Riesling. Bei letzterem setzen Winzer den BSA häufig in sehr kühlen Jahren zur Säureregulierung ein. Dabei gehen sie oft so vor, dass nur einzelne Partien einen biologischen Säureabbau durchlaufen, andere nicht. Aus Platzgründen haben die größten Tanks bei vielen Winzern ein Fassungsvermögen von 6.000 Litern, die Weine einer Lage oder Linie verteilen sich also auf mehrere Tanks. Indem der Winzer vor dem Verschnitt zur Füllung nur einzelne Tanks einen BSA durchlaufen lässt, kann er die Gesamtsäure des Weines auf eine Nachkommastelle genau regulieren. Auch wenn viele Winzer das Ideal des ‚kontrollierten Nichtstuns‘ predigen, bei dem der Winzer so wenig wie möglich in die Weinwerdung eingreift, die Kontrolle, Einleitung oder Verhinderung einer malolaktischen Gärung zählt allgemein nicht zu den geächteten Prozeduren. Salopp formuliert, gehört der BSA in den Bereich der weißen Magie, während Maßnahmen wie die Zugabe von Enzymen oder Gummi Arabicum zur schwarzen Magie zählen.
Eine saubere malolaktische Gärung werdet Ihr nicht am Geschmack erkennen. Eventuell erlaubt der Wein den Rückschluss, dass er einen BSA durchlaufen hat, etwa wenn ein Riesling aus einem nördlichen Anbaugebiet und einem kühlen Jahr unerwartet milde Säure und ein vergleichsweise cremiges Mundgefühl zeigt. Anders sieht es jedoch aus, wenn der biologische Säureabbau nicht ganz sauber läuft. Dann zeigt der Wein einen leichten Jogurt-Ton, der bis hin zu einem extremen Molke-Geschmack gehen kann. Eine fehlgelaufene Malo ist ein Weinfehler. Aber Vorsicht, nicht jede Jogurt-Assoziation ist ein Malo-Problem. Rebsorten wie die Gamay (vor allem im Beaujolais heimisch) und auch viele südfranzösische Cuvées mit den Rebsorten Mourvedre und Grenache erinnern manche Weintrinker geschmacklich an Blaubeerjogurt oder Katjes Yogurt Gums.
Ein Weinkenner zeichnet sich nicht unbedingt dadurch aus, dass er jede malolaktische Gärung am Geschmack erkennt, für die Extreme sollte er allerdings sensibilisiert sein. Um Euch ein Bild zu machen, schenkt ihr euch am besten solche Extreme ein. Einen Chardonnay aus dem Stahltank ohne BSA und einen Chardonnay, der mindestens teilweise Holzkontakt und malolaktische Gärung durchgemacht hat. Das schmeckt extrem unterschiedlich, der eine knackig und schlank, der andere cremig und voll. Im Weinpaket der Webweinschule findet Ihr zwei passende Chardonnays.
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