Weinflaschen werden seit Jahrhunderten mit einem Stück Baumrinde verschlossen und diese Tradition ist vielen Weinfreunden lieb und teuer. Teuer deswegen, weil die Rinde leider rund jede zwanzigste Flasche ruiniert. Darum gibt es eine große Fraktion von Weintrinkern, die Kork als Flaschenverschluss für ungeeignet hält. Die Diskussion über Kork oder Schrauber ist meist sehr emotional, weswegen wir mit offenem Visier kämpfen wollen: Wir sind Fans des Schraubers, wenngleich wir dem optimalen Korken einiges abgewinnen können. Aber der Reihe nach.
Wein reift in der Flasche. Kaum einer der Prozesse, die bei dieser Reifung stattfinden, benötigt die Anwesenheit von Sauerstoff. Veresterung verlangt beispielsweise nur nach Alkohol und Säure. Wein muss also nicht während der Lagerung atmen. Auch ist im Wein Sauerstoff gelöst und obendrein mehr als genug im Leerraum zwischen Flüssigkeitsspiegel und Verschluss. Wie gut Wein ohne Sauerstoffeintrag reifen kann, zeigen regelmäßig alte Weinflaschen, die aus Schiffswracks geborgen werden und unter Wasser entsprechend keinerlei zusätzlichen Sauerstoff zur Verfügung hatten.
Außerdem ist der ideale Korken vollkommen gasdicht. Flaschen mit perfektem Korken aus perfekt temperierten Kellern haben auch nach zehnjähriger Lagerung noch ihren original Füllstand (so das Fachwort für den Flüssigkeitsspiegel in der Flasche). Trotzdem kann man in vielen lange gelagerten Flaschen mit bloßem Auge einen Schwund bemerken. Wenn also Flüssigkeit verdampft, aus der Flasche entweicht, muss im Gegenzug doch Luft hineinkommen. Das stimmt, diese Luft fließt allerdings seitlich am Korken vorbei. Der Prozess wird maßgeblich von Temperaturschwankungen beeinflusst, je öfter die Temperatur in kurzer Zeit schwankt, sich der Inhalt der Flasche also ausdehnt oder zusammenzieht, desto eher kommt es zu dieser winzigen Undichtigkeit. Bei vielen Weinen, die zwanzig und mehr Jahre gelagert sind, nimmt der Schwund bedrohliche Ausmaße an, was ihren Wert erheblich mindert. Ganz wenige Flaschen haben nach zwanzig Jahren Lagerung den idealen Füllstand, bei dem nur einige Milliliter aus der Flasche fehlen.
Schraubverschlüsse (beim Wein wird synonym das Wort Stelvin verwendet) kommen seit den 70er Jahren zum Einsatz und der australische Produzent Penfolds hat schon damals etliche hochwertige Weine verschraubt und Testreihen aufgelegt, die beweisen, dass auch der Stelvin Schraubverschluss 40 Jahre hält, und zwar vollkommen dicht und ohne Rost an den Wein abzugeben. Diese Weine sollen dem Vernehmen nach eine hervorragende Entwicklung unterm Schrauber genommen haben. Fairerweise muss man aber sagen, dass in der Breite die perfekt gelagerte, verkorkte Flasche bisher das bessere Reifeergebnis als der Schrauber zeigt. Dies liegt, so die meisten Experten, an einem simplen Umstand. Die verschraubten Weine wurden anfangs auf exakt die gleiche Weise behandelt und gefüllt wie die verkorkten. Da der Schrauber von außen abdichtet, der Korken in der Flasche steckt, haben verschraubte Flaschen einen viel größeren mit Luft gefüllten Raum zwischen Flüssigkeitsspiegel und Verschluss. Mittlerweile ist das Wissen um die Thematik größer: Winzer präparieren Weine für den Schraubverschluss anders als die für verkorkte Flaschen. So dosieren sie beispielsweise das SO2 anders und verändern damit den Oxidationsschutz. Der neueste Schrei ist schließlich der atmende Schrauber. Zwischen dem eigentlichen Verschluss und dem Wein liegt noch ein kleines Zinkplättchen. Dieses präparieren die Schrauberhersteller so, dass es nicht 100% gasdicht ist. Mit diesen Kniffen erfindet die Branche gerade den Schraubverschluss, der auf Wunsch die Unzulänglichkeiten des Korkens imitiert. Glasverschlüsse tun ebenfalls guten Dienst, haben sich aber nicht durchgesetzt und verschwinden langsam wieder vom Markt.
Die Frage nach dem romantischen Plopp beim Öffnen einer verkorkten Flasche lassen wir in dieser Diskussion über Kork oder Stelvin außen vor. Spätestens wenn Ihr einen 50 Euro teuren Wein zehn Jahre wie euren Augapfel gehütet habt, um ihn dann nach dem Entkorken als stinkende Brühe dem Ausguss zu überantworten, kommt Euch dieses Plopp nicht mehr so romantisch vor. Was genau den Wein in stinkende Brühe verwandelt, erfahrt ihr in der Folge über Weinfehler.
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