Folge 26: Kork oder Schrauber

Kork oder Schrauber, diese Frage erhitzt die Gemüter. Wir sind der Meinung, jeder soll bevorzugen, was er will, aber die Fakten sollte man schon kennen. Also präsentieren wir Euch alles Wissenwerte um den Weinverschluss.
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Weinflaschen werden seit Jahrhunderten mit einem Stück Baumrinde verschlossen und diese Tradition ist vielen Weinfreunden lieb und teuer. Teuer deswegen, weil die Rinde leider rund jede zwanzigste Flasche ruiniert. Darum gibt es eine große Fraktion von Weintrinkern, die Kork als Flaschenverschluss für ungeeignet hält. Die Diskussion über Kork oder Schrauber ist meist sehr emotional, weswegen wir mit offenem Visier kämpfen wollen: Wir sind Fans des Schraubers, wenngleich wir dem optimalen Korken einiges abgewinnen können. Aber der Reihe nach.

Korken oder Schraubverschluss für Wein – die Fakten

Wein reift in der Flasche. Kaum einer der Prozesse, die bei dieser Reifung stattfinden, benötigt die Anwesenheit von Sauerstoff. Veresterung verlangt beispielsweise nur nach Alkohol und Säure. Wein muss also nicht während der Lagerung atmen. Auch ist im Wein Sauerstoff gelöst und obendrein mehr als genug im Leerraum zwischen Flüssigkeitsspiegel und Verschluss. Wie gut Wein ohne Sauerstoffeintrag reifen kann, zeigen regelmäßig alte Weinflaschen, die aus Schiffswracks geborgen werden und unter Wasser entsprechend keinerlei zusätzlichen Sauerstoff zur Verfügung hatten.

Außerdem ist der ideale Korken vollkommen gasdicht. Flaschen mit perfektem Korken aus perfekt temperierten Kellern haben auch nach zehnjähriger Lagerung noch ihren original Füllstand (so das Fachwort für den Flüssigkeitsspiegel in der Flasche). Trotzdem kann man in vielen lange gelagerten Flaschen mit bloßem Auge einen Schwund bemerken. Wenn also Flüssigkeit verdampft, aus der Flasche entweicht, muss im Gegenzug doch Luft hineinkommen. Das stimmt, diese Luft fließt allerdings seitlich am Korken vorbei. Der Prozess wird maßgeblich von Temperaturschwankungen beeinflusst, je öfter die Temperatur in kurzer Zeit schwankt, sich der Inhalt der Flasche also ausdehnt oder zusammenzieht, desto eher kommt es zu dieser winzigen Undichtigkeit. Bei vielen Weinen, die zwanzig und mehr Jahre gelagert sind, nimmt der Schwund bedrohliche Ausmaße an, was ihren Wert erheblich mindert. Ganz wenige Flaschen haben nach zwanzig Jahren Lagerung den idealen Füllstand, bei dem nur einige Milliliter aus der Flasche fehlen.

Folge 26 FreiraumSchraubverschlüsse (beim Wein wird synonym das Wort Stelvin verwendet) kommen seit den 70er Jahren zum Einsatz und der australische Produzent Penfolds hat schon damals etliche hochwertige Weine verschraubt und Testreihen aufgelegt, die beweisen, dass auch der Stelvin Schraubverschluss 40 Jahre hält, und zwar vollkommen dicht und ohne Rost an den Wein abzugeben. Diese Weine sollen dem Vernehmen nach eine hervorragende Entwicklung unterm Schrauber genommen haben. Fairerweise muss man aber sagen, dass in der Breite die perfekt gelagerte, verkorkte Flasche bisher das bessere Reifeergebnis als der Schrauber zeigt. Dies liegt, so die meisten Experten, an einem simplen Umstand. Die verschraubten Weine wurden anfangs auf exakt die gleiche Weise behandelt und gefüllt wie die verkorkten. Da der Schrauber von außen abdichtet, der Korken in der Flasche steckt, haben verschraubte Flaschen einen viel größeren mit Luft gefüllten Raum zwischen Flüssigkeitsspiegel und Verschluss. Mittlerweile ist das Wissen um die Thematik größer: Winzer präparieren Weine für den Schraubverschluss anders als die für verkorkte Flaschen. So dosieren sie beispielsweise das SO2 anders und verändern damit den Oxidationsschutz. Der neueste Schrei ist schließlich der atmende Schrauber. Zwischen dem eigentlichen Verschluss und dem Wein liegt noch ein kleines Zinkplättchen. Dieses präparieren die Schrauberhersteller so, dass es nicht 100% gasdicht ist. Mit diesen Kniffen erfindet die Branche gerade den Schraubverschluss, der auf Wunsch die Unzulänglichkeiten des Korkens imitiert. Glasverschlüsse tun ebenfalls guten Dienst, haben sich aber nicht durchgesetzt und verschwinden langsam wieder vom Markt.

Die Frage nach dem romantischen Plopp beim Öffnen einer verkorkten Flasche lassen wir in dieser Diskussion über Kork oder Stelvin außen vor. Spätestens wenn Ihr einen 50 Euro teuren Wein zehn Jahre wie euren Augapfel gehütet habt, um ihn dann nach dem Entkorken als stinkende Brühe dem Ausguss zu überantworten, kommt Euch dieses Plopp nicht mehr so romantisch vor. Was genau den Wein in stinkende Brühe verwandelt, erfahrt ihr in der Folge über Weinfehler.

Kommentare (4)

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Rainer Schönfeld
02. März 2021 um 17:39
Es ist falsch, dass ideale Korken vollkommen gasdicht sind. Tatsächlich können Gase durch den Korken diffundieren, was wissenschaftlich sehr gut untersucht ist. Auch die Diffusionsmechanismen durch den Korken wurden untersucht. Ein guter und umfangreicher Übersichtsartikel dazu ist: K. Crouvisier-Urion, J.-P. Bellat, R.D.Gougeon, T. Karbowiak: Gas transfer through wine closures: A critical review, Trends in Food Science & Technology 2018, 78, 255-269 Hier eine Untersuchung des Diffusionsmechanismus: A. Lagorce-Tachon, T. Karbowiak, J.-M. Simon, R. Gougeon, J.-P. Bellat: Diffusion of oxygen through cork stopper: is it a Knudsen or a Fickian mechanism?, J. Agric Food Chem. 2014, 62(37), 9189-9185 Natürlich gelangt auch unter Wasser (in Schiffwracks) Sauerstoff durch den Korken in den Wein, denn in Wasser ist Sauerstoff gelöst - die Fische nehmen ja diesen Sauerstoff über ihre Kiemen auf. Auch die Reifeprozesse in Wein, die durch Sauerstoff initiiert werden, sind bekannt. Ein guter Artikel dazu ist: C.M. Oliveira, A.C.Silva Ferreira, V. De Freitas, A.M.S. Silva: Oxidation machanisms occuring in wines, Food Research International, 44 (2011), 1115-1126 Das alles spricht dennoch nicht für den Korken als Weinverschluss. Denn auch Schraubverschlüsse lassen geringe Mengen Sauerstoff durch (im erstgenannten Übersichtsartikel sind auch diese Werte aufgeführt). Die Sauerstoffdurchlässigkeit von Korken schwankt dagegen enorm, was große Flaschenvariationen bei gereiften Weinen verursacht. Der größte Nachteil von Korken ist natürlich die Gefahr der Kontamination mit Trichloranisol. Deshalb ist es begrüßenswert, wenn Weine nicht mehr mit Korken, sondern mit zuverlässigeren Schraubverschlüssen verschlossen werden.
Felix
03. März 2021 um 18:46
Interessant, als ich 2014 diesen Artikel schrieb, gab es noch Aufsätze mit gegenteiligen Aussagen in vergleichbaren Fachpublikationen. Diese hier liegen leider alle hinter einer Paywall. Dass durch Sauerstoff Reifeprozesse initiiert werden, ist bekannt und wird auch nicht in Abrede gestellt.
Herrmann
20. Januar 2017 um 14:32
Wenn ein großteil Namhafter Winzer auf Schraubverschluss umgestellt hat, kippt die Stimmung der nostalgiker. Wie man liest, haben ja auch schon einige große Winzer, z.B-. der Winzer des jahres 2017 umgestellt.
Gottfried Lamprecht
25. Dezember 2014 um 20:37
absolut daccord!!
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