Wie wir schon im Kapitel ‚Wie entsteht Wein‚ gelernt haben, existieren auf der Welt tausende von verschiedenen Traubensorten. Diese unterscheiden sich – ganz wie bei Äpfeln oder Birnen – in vielerlei Hinsicht. Manche reifen früher, andere ertragen Hitze besser, einige ergeben farbintensiven Wein, andere bestechen durch ihre rassige Säure. Was liegt da näher, als Weine miteinander zu verschneiden um die Eigenschaften verschiedener Weine miteinander zu vermählen. Tatsächlich ist der sortenreine Ausbau eine ziemlich moderne Erscheinung. Doch bevor wir den historischen Exkurs fortsetzen, wollen wir schnell ein paar Begriffe klären.
Ein Wein, der aus verschiedenen Weinen zusammengestellt ist, heißt nicht Verschnitt, sondern Cuvèe – zumindest in Deutschland. In Frankreich bezeichnet das Wort Cuvèe nicht ausschließlich Verschnitte, sondern vereinfacht gesagt jede Füllung eines Weingutes, egal ob sortenrein oder verschnitten. Steht also Grand Cuvée oder Cuvée Prestige auf einem französischen Wein, heißt das in etwa ‚bester Wein des Hauses’. Er kann trotzdem sortenrein sein. Der explizite Hinweis: dies ist ein Wein aus mehreren Rebsorten, fehlt in Frankreich genauso wie in Italien, Deutschland oder sonst wo auf der Welt. Sogar in Kalifornien gibt es reinsortige Weine mit der Bezeichnung ‚Vintner’s Blend’ (also in etwa: Des Kellermeisters Mischung‘). Der Begriff Cuvée ist auch gar nicht weinrechtlich einheitlich in Europa definiert. Von daher braucht es fast immer einen Blick auf den Beschreibungstext des Rückenetiketts, so sich da denn einer findet, um herauszufinden, ob ein Wein eine Cuvée ist.
Hier findet Ihr eine Auflistung der wichtigsten Cuvées.
Eine Ausnahme existiert in Deutschland, das ist die Cuvée aus genau zwei Rebsorten. Das Gesetz gestattet die Angabe von zwei Rebsorten gleichberechtigt auf dem Etikett. Bei der in Deutschland immer populärer werdenden Melange aus Weißburgunder und Chardonnay zum Beispiel gehört es zum guten Ton, beide Rebsorten auf dem Etikett zu nennen. Sobald drei oder mehr Traubensorten im Wein stecken, ist die Angabe auf dem Etikett nicht mehr gestattet.
Die klassische Cuvée entsteht im Keller oder anders gesagt, erst entstehen die einzelnen Weine, dann der Verschnitt. Wächst der Wein gemeinsam in einem Weinberg, wird gleichzeitig geerntet, gemeinsam gepresst und vinifiziert, handelt es sich nicht um eine Cuvée, sondern um einen sogenannten ‚Gemischten Satz‘. Gemischte Sätze waren in den frühen Zeiten des Weinbaus die Regel. Ursprünglich weil das Wissen und Verständnis der Sorten fehlte (es wurden einfach irgendwelche Reben gepflanzt), dann weil die unterschiedlichen Reifeverläufe und Empfindlichkeiten eine Risikostreuung bedeuteten. Heute ist die reinsortige Pflanzung die Regel und Gemischte Sätze stellen eine exotische Ausnahme dar. Die berühmteste ist der ‚Wiener Gemischte Satz‘ mit eigenem DAC, die steirische Variante heißt ‚Mischsatz‘, in Deutschland gibt es den Altfränkischen Gemischten Satz und im Elsass stehen ebenfalls Gemischte Sätze.
Für Deutschland gilt also: reinsortig oder Cuvée aus zwei Rebsorten mit Deklaration der (beiden) Rebsorte(n) auf dem Etikett, Cuvée aus drei oder mehr Rebsorten ohne Sortenangabe, Gemischter Satz als solcher bezeichnet.
Allerdings hat das Weingut Spielraum, den sogenannten bezeichnungsunschädlichen Verschnitt. Der Gesetzgeber erlaubt europaweit für die meisten Weine das Beimengen von 15 Prozent eines anderen Weines ohne Verpflichtung zur Deklaration (das Fachwort heißt bezeichnungsunschädlich). Steht auf einem Wein ‚Sauvignon Blanc‘ drauf, dürfen bis zu 15% einer anderen Rebsorte drin sein, egal ob der Wein aus Deutschland oder Frankreich stammt.
Davon ausgenommen sind die geschützten Herkunftsweine. Im Brunello ist Sangiovese und sonst nichts, im Chablis stecken 100 Prozent Chardonnay. Aber es existieren auch etliche Herkunftsgebiete mit sehr flexiblen Regeln: Ein Soave kann zu 100 Prozent aus der Garganega-Traube stammen oder auch nur zu 70 Prozent, aufgefüllt mit 30 Prozent beliebiger Mischung aus den Sorten Trebbiano, Weißburgunder oder Chardonnay.
All dieses ist aber kein Beinbruch. Es ist Ausdruck einer Tatsache, die auf jahrhundertealter Weinbauerfahrung beruht. Zusammengefasst lautet diese: Die Natur ist ganz schön launig, der Wein, den der Winzer ihr abringt ist nicht perfekt. Mit ein paar harmlosen Eingriffen in Form der Zugabe kleiner Mengen von Weinen aus anderen Rebsorten, Jahren oder Lagen, kann der kundige Fachmann viel Gutes tun. Deswegen fordert der Gesetzgeber für Wein eine (das heißt wirklich so!) 85-prozentige Bezeichnungswahrheit.
Kommt Euch also jemand mit der erstaunlich weit verbreiteten Auffassung, nur sortenreine Weine seien gut, alles andere sei Panscherei, macht Euch diese Meinung bitte nicht zu eigen. Denkt an die 85-prozentige Bezeichnungswahrheit.
Und bedenkt noch etwas. Von den zehn berühmtesten Rotweinen der Welt sind mindestens die Hälfte Verschnitte, beispielsweise alle Super-Duper-Bordeauxs mit Ausnahme von Petrus, und fast alles aus Südfrankreich. Reinsortig sind hingegen die Burgunder und Spaniens Über-Wein ‚Pingus‘. Bei den Champagnern sind die reinsortigen deutlich in der Minderheit. Das Vermischen von Wein hat wirklich nichts mit Panschen zu tun.
Eine Cuvée ist also der Verschnitt mehrerer Weine mit dem Ziel eine optimale Balance der bereits geschilderten Eigenschaften eines Weines zu finden: Aromen, Körper&Mundgefühl, Frucht&Säure, Alkohol, Gerb- und Bitterstoffe sowie Ausgewogenheit des Abgangs. Die Vorgehensweise ist meist einheitlich. Die gelesenen Trauben erfahren ihren Ausbau nach Sorten, Lagen und Lesezeitpunkt getrennt in jeweils eigenen Fässern und Tanks. Vor der Füllung, deren Zeitpunkt der Winzer so wählt, dass alle Weine ihre vermutlichen Hauptmerkmale in der ersten Reifung ausgeprägt haben, zieht der Kellermeister Proben. Dann mischt er mit Pipetten unendliche Variationen der zur Verfügung stehenden Grundweine, bis er sein ideales Mischverhältnis gefunden hat. Viele Weingüter laden sich zu dieser ‚Assemblage‘ genannten Prozedur Berater und Kollegen ein.
Natürlich gibt es weniger romantische Prozeduren. Große Kellereien schütten auch ohne vorherige Probe einfach Weine nach festgelegten Verhältnissen zusammen und optimieren das halbfertige Produkt dann mit zulässigen ‚Mittelchen‘, bis das Ergebnis einigermaßen passt – aber damit Euch so was zukünftig nicht mehr ins Glas schwappt, besucht Ihr ja die Webweinschule.
P.S. Weil wir gelegentlich die Frage hören, ob Cuvée nicht auch etwas mit der ersten Ernte oder ähnlichem zu tun habe: In der Champagne wird der Most der ersten Pressung (2050 Liter aus der genormten Presse mit 4000 Kilo Traubenmaterial als Füllung) ebenfalls Cuvée genannt. Der zweite Pressgang darf dann noch maximal 500 Liter ‚Taille‘ erbringen. Manchmal entsteht aus dem ‚Cuvée-Most‘ ein eigener Champagner, der dann Tete de Cuvée heißt, was andererseits in anderen Zusammenhängen wieder nur ‚bestes Fass‘ heißen kann. Diese minimale (und verwirrende) Ausnahme solltet Ihr ignorieren, insbesondere weil der Zusatz ‚Tete de‘ sie eindeutig identifiziert.
Mit dem Klick auf "Kommentar abschicken" erkläre ich mich mit der Speicherung meiner IP-Adresse im Zusammenhang mit meinem Kommentar einverstanden.
Schreibe einen Kommentar