Folge 20: Barrique (Wein und Holz)

Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Wein 'im Holzfass ausgebaut' wurde? Es sagt vor allem etwas über den Weinstil. Was genau und warum Alter und Größe des Fasses eine Rolle spielen erklären wir Euch in Folge 20 der Weinschule.
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 ‚Dieser Wein ist im Barrique ausgebaut‘ (oder ‚im Holzfass‘) ist einer der häufigsten Sätze, den Ihr von Winzern oder Weinhändlern hören werdet, wenn Ihr euch beraten lasst und er soll bei Euch als Qualitätsaussage ankommen. Ist es eine? Unbedingt, allerdings zunächst einmal auf einfachstem Niveau. Industriekellereien verwenden keine Holzfässer, erst recht keine Barrique-Fässer (dazu unten mehr). Der Euch angepriesene Wein ist also das Produkt eines halbwegs handwerklich arbeitenden Erzeugers. Allerdings gibt es Weine, die eine Gesamtauflage von mehreren Hunderttausend Flaschen im Jahr erreichen und auch aus dem Holzfass stammen. Wahnsinnig hoch ist das Niveau also noch nicht, das die Aussage vom Holz oder Barrique manifestiert.

Wein HolzfassViel wichtiger: Es ist eine brauchbare Information über den Stil eines Weines. Um die tieferen Zusammenhänge verständlich herzuleiten, starten wir mit einem einem kleinen Exkurs über die Bedeutung von Sauerstoff bei der Weinbereitung, denn dieser ist prägend. Vermeidet der Winzer mit großem Aufwand den Luftkontakt seines Mostes (vor der Gärung) und des Weines (vor der Füllung), so spricht er von ‚reduktivem Ausbau‘ oder reduktiver Weinbereitung. Während der Gärung muss niemand den Most vor Luftkontakt bewahren, da das entstehende CO2 schwerer als Luft ist und sich schützend über die Flüssigkeit legt, unabhängig davon, ob diese in einem Tank, einem Fass oder einem Bottich vor sich hin blubbert.

Reduktiver Ausbau schont Fruchtaromen, so kann man es vereinfachen. Um die Frucht noch weiter zu bewahren, kühlen die meisten Winzer die Moste während der Gärung, da diese die Flüssigkeit erheblich erwärmt und Wärme Frucht zerstört. Auch führt Kühlung zu einer langsameren Gärung, was noch einmal schonend wirkt. Die maximale Fruchtausbeute erzielt der Winzer, wenn er den Most unmittelbar nach der Pressung mit etwas Schwefel als Oxidationsschutz versetzt und ihn danach temperaturkontrolliert im Edelstahltank zu Wein vergärt. Das Ergebnis ist manchmal so fruchtig, dass es quietscht und Aromen von Litschi und Eisbonbon sind eine häufige Begleiterscheinung. (Ihr dürft diesen Aromenmix auch Gummibärchen nennen). Da dieser Prozess ein relativ technischer ist, lehnen viele Freaks ihn ab. Er widerspricht halt der romantischen Vorstellung von Weinbereitung. Gerade bei den in Deutschland gängigen Rebsorten Müller-Thurgau, Weißburgunder und Riesling setzen aber auch sehr gute Erzeuger auf das Verfahren. Weißwein erfährt diese Behandlung häufiger als Rotwein.

Wein im Holz: Mehr Luft

Das Gegenteil wäre der oxidative Ausbau, bei dem der Winzer den Luftkontakt fördert. Er kann das einfach durch Unterlassen der Abwehrmaßnahmen machen oder gezielt eine Belüftung des Mostes auf allerlei Arten vornehmen. Extrem oxidativ ausgebauten Wein lassen wir hier einmal außen vor, da es sich dabei um eine kleine Nische handelt (bezüglich normaler Stillweine, Sherry und Co. sind mehrheitlich oxidativ geprägt, aber die vernachlässigen wir in unseren Videos ja generell). Die häufigste Form der einfachen oxidativen Weinbereitung ist der Ausbau im Holzfass – beim verwendeten Holz handelt es sich fast immer um Eiche. Das veratmet einen Teil der Flüssigkeit und lässt im Gegenzug Luft hinein, da Holz in der Dicke einer Fassdaube nicht gasdicht ist.

Um den Wein nicht völlig unkontrolliert sich selbst zu überlassen, wenden die meisten Winzer auch beim Holzfassausbau ein paar Schutztechniken an. Mit speziellen Vorrichtungen kühlen sie den Most während der Gärung. Mostschwefelung und frühe Schwefelgabe nach der Gärung limitiert auch hier den Einfluss des Luftkontaktes und bei der mehrere Monate bis Jahre dauernden Fasslagerung und -reifung, während der der Sauerstoff seine Arbeit verrichtet, belässt der Winzer die abgestorbene Hefe ganz oder teilweise im Holzfass. Diese nimmt einen Teil des Sauerstoffs auf. Zu guter Letzt legt er vor der Lagerung eine Reserve des Weines in kleineren Behältern an und gleicht mit diesem den Flüssigkeitsverlust aus, so dass sich keine Luft im Weinfass breit machen kann. Mit diesen Maßnahmen erreicht er, dass sein Wein trotz Luftkontakt eine schöne Frucht behält – nicht so üppig wie ein reduktiver Wein aber keinesfalls schwachbrüstig.

Weinfass als Konzentrator

Und der Lohn der Mühe? Mannigfaltig! Erstens erscheinen diese Weine aus dem Holzfass oft etwas stoffiger, in der Konsistenz schmelziger oder cremiger, dann sind sie konzentrierter, denn es verdunsten nur flüssige Bestandteile (für diesen Schwund haben sich die Winzer bei ihren Kollegen aus der Whiskyproduktion den Begriff ‚Anteil der Engel‘ geborgt). Der lange Hefekontakt wirkt zusätzlich intensivierend, Hefeextrakt ist schließlich ein auch in der Lebensmitteltechnik verwendeter Geschmacksverstärker. Durch den Luftkontakt in der Kinderstube reifen diese Weine auch später würdevoller (was strittig und nicht final bewiesen ist) und reagieren, jung getrunken, weniger allergisch auf Sauerstoff, sprich sie halten in der angebrochenen Flasche etwas länger.

Im Weinpaket der Webweinschule findet Ihr zwei Weißweine aus der Chardonnay-Traube, einer im Edelstahl und einer m Holz ausgebaut. Probiert die beiden nebeneinander und Ihr werdet verblüfft sein, wie extrem der Einfluss ist und wie leicht man ihn erkennt.

Das Barrique – kleines Fass für edlen Wein

Barrique, Stückfass und CoZwei wichtige Aspekt des Holzfassausbaus fehlen uns noch. Der erste – und sehr wichtige – Parameter ist die Größe des Fasses. Da das Fass, wenn wir es einmal als Kugel idealisieren, seine Fläche mit der zweiten Potenz des Radius vergrößert, das Volumen aber mit der dritten, ist die mit Flüssigkeit in Berührung kommende Holzfläche pro Liter Wein bei einem größeren Fass viel kleiner als bei einem kleinen. Das kleinste im Weinbau häufig verwendete Eichenholzfass ist das Barrique. Es hat ein Fassungsvermögen von nur 225 Litern. Die nächstgrößeren Gebinde gehen meist ab 500 Liter los und gehen bis über 1000 Liter. Sie haben regional unterschiedliche Namen: Tonneaux, Pièce, (Halb-)Stück, Fuder und dergleichen.

Der letzte zu beachtende Aspekt ist das Alter des Fasses. Ein neues Eichenholzfass bewirkt zusätzlich zu all den oben genannten noch den Effekt, dass es den Wein aromatisiert. Der Wein schmeckt nach Holz und Rauch, denn die Fässer werden vor der Verwendung ausgebrannt (was tatsächlich ‚getoastet‘ heißt). Je nach Grad des Toastings ist dieser Effekt mehr oder weniger spürbar. Der im Holz enthaltene Zellstoff produziert dabei geringe Mengen Karamell und auch das ist häufig schmeckbar. Dazu enthält Eichenholz Vanillin, welches in den Wein übergeht. Auch hier tritt der Effekt beim Barrique stärker in Erscheinung als bei größeren Fässern.

Selbst bei einer zweiten oder dritten Verwendung gibt das Fass noch Aromen ab, man spricht dabei von Zweit- oder Drittbelegung. Danach ist es geschmacksneutral, was in der Fachsprache ‚weingrün‘ heißt. Auch Tannin geht vom Holz in den Wein über. Da der Luftkontakt gleichzeitig eine Oxidation und Ausfällung bewirkt, spielt dieser Prozess bei Rotwein eine untergeordnete Rolle. Untersuchungen haben ergeben, dass Rotweine im Schnitt nach dem Ausbau im Barrique weniger Tannin enthalten als vorher. Weißweine, die vor dem Barrique-Ausbau kaum Tannin haben, verändern sich stärker.

Preistreiber Barrique – das Holzfass als Kostenfaktor

Fässer kosten richtig viel Geld. Für einen zu 100% in neuen Barriques gehobener Qualität produzierten Wein belaufen sich die Mehrkosten auf drei Euro pro Flasche allein für das Barrique. Dazu kommen der Schwund, die Kapitalbindung über den Lagerzeitraum und die Zeit für die Mehrarbeit.

Deswegen hat die Kellertechnik-Industrie erhebliche Entwicklungszeit in Alternativen gesteckt. Computergesteuerte Stahltanks mit absichtlicher Luftzufuhr und der Einsatz von Holzchips, die einfach wie Teebeutel in den Wein geworfen werden, simulieren Barriques und erzielen verblüffend ähnliche Effekte zu einem Bruchteil der Kosten. Als ambitionierter Weinfreund muss man das natürlich verdammen, denn weiter weg von Weinromantik geht es nicht mehr. Wer des ewigen Empörens über ‚die Industrie‘ oder ‚die Konzerne‘ müde ist, nimmt es einfach zur Kenntnis, besorgt sich einen ‚gechipsten‘ Wein und macht sich sein eigenes Bild. Das ist nicht einfach, weil im Zeitalter des ‚Shitstorms‘ kaum ein Produzent freiwillig angibt, dass er auf High-Tech setzt.

Der schmeckbare Einfluss der Eigenaromen des Barrique-Fasses auf den Wein schwindet mit der Zeit. Nach zehn Jahren schmecken die wenigsten Weine noch nach originären Holzaromen. Den sonstigen Einfluss auf das Geschmacksbild verlieren die Weine allerdings nie.

Kommentare (10)

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jörg
20. Dezember 2021 um 15:26
ja ich meine wirklich, was es so ungefähr kosten mag, weil ich plane, fässer extern lagern zu lassen, nicht in meinem eigenen weinkeller...aufgrund von platzmangel... landen wir hier bei 30-50€ lagerkosten pro monat pro fass... so ganz grob oder viel günstiger oder teurer?
Felix
21. Dezember 2021 um 09:46
Naja, da gibt man ja nicht das Fass in die Fässerpension wie das Haustier, wenn man in den Urlaub fährt, oder? Ich habe sowas zumindest noch nie gehört. Eher einen Raum anmieten und dann kommt es doch total auf die Lage und den Zustand an. Das wird zwischen 5 und 15 Euro Pacht pro Monat und Quadratmeter sein und wenn man Fässer professionell stapelt, kriegt man drei Reihen übereinander, dann kriegt man auf 100 Quadratmeter vermutlich 150 Fässer unter und hat noch Platz für den Stapler oder Hubwagen zum Rangieren. Wenn man aber nur 10 Fässer auslagern will, macht dieser Platz für den Stapler vermutlich drei viertel der zu mietenden Fläche aus.
jörg
15. Dezember 2021 um 14:53
was kostet die lagerung beispielsweise eines fasses für 1 oder 10 jahre?
Felix
16. Dezember 2021 um 10:57
Das sind ganz schön viele Faktoren, die da rein spielen. Ein Barrique-Fass (225 bis 300 Liter) kostet zwischen 600 und 1200 Euro, das muss man einerseits auf die Lebensdauer (mindesetens 30 Jahre) runterrechnen, andererseits gibt es in den ersten drei Jahren noch Geschmack ab. Für die, die das wollen ist es in der Zeit wertvoller, die, die das nicht wollen, lagern in der Zeit Wasser mit Zitronensäure drin, um den Geschmack auszulaugen. Danach kommt es noch drauf an, wie wertvoll der Wein ist, der drin liegt. Aber das sind alles irgendwelche betriebswirtschaftlichen Berechnungen. Reine Lagerkosten sind Null Euro. Das liegt halt auf einem Ständer im Keller und bedarf keiner weiteren Pflege.
Lina Seidel
30. Dezember 2020 um 11:20
Vor kurzem hat mein Vater gern Wein hergestellt, und ich habe beschlossen, einen geeigneten Artikel für ihn zu finden. Vielen Dank für diesen großartigen Artikel über die Weinherstellung. Ich denke, es wird interessant sein, die Rollen von Barriquefass zu erfahren.
Monika Lang
16. März 2019 um 11:43
Sehr schöner Artikel...gut verständlich
Sydney Sina
14. November 2018 um 19:35
Hi ich interessiere mich fürs mittelalter und möchte gerne meinen eigenen met machen. Am liebsten im fass meine frage nun muss ich den met in einem gährtank vorgähren und erst dann ins fass oder kann ich von anfang an im fass gähren und lagern?
Felix
16. November 2018 um 11:05
Also die ersten Male würde ich unbedingt ein Glasgefäß für die Gärung wählen, weil man da die Gärung beobachten und sehen kann, wenn irgendwas schief läuft. Auch würde ich erst mal mit 10 Litern anfangen. Theoretisch kann man den Met auch im Fass vergären.
Hartmut Bödefeld
26. November 2017 um 13:47
Wie oft darf man ein Barrique Holzfass benutzen? Vier mal?
Felix
27. November 2017 um 11:20
Man darf es so oft benutzen, wie es hält und das sind zig Jahre, zumal man es überarbeiten lassen kann. Nach drei Jahren verliert das Holz jeglichen Eigengeschmack, wird 'weingrün' und aromatisiert den Wein nicht weiter. Die Mikro-Oxidation findet aber auch dann noch statt.
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