Terroir ist eine geschmackliche Eigenschaft von Wein, wenn es sie denn gibt. Denn manch hochdekorierte/r Weinfachfrau/mann, lehnt das Konzept des Terroirs ab. Schon bei der Übersetzung herrscht Uneinigkeit: Terroir übersetzen manche mit Heimat, die meisten aber mit Herkunft. Im Weinbuch der Webweinschule haben wir Terroir einmal als schmeckbaren geologisch-klimatischen Gesamtkontext bezeichnet, was zwar albern klingt, aber alle Komponenten von Terroir in eine Beschreibung fasst. Die Idee ist, dass der Boden einen prägenden Einfluss auf den Geschmack hat, das Klima und Kleinklima aber auch, ebenso die Steilheit des Weinbergs, die Frage ob ein Fluss an seinem Fuße fließt oder ein Wald den Kamm bedeckt. All diese Eigenschaften setzen sich auf wiedererkennbare Weise im Wein durch, egal wie er im Keller ausgebaut ist. Umstritten ist, ob der Mensch sogar Teil des Terroirs ist, ebenso wie der Keller mit seiner eigenen Flora und die Frage,
ob ein Wein im Holzfass, Stahltank oder Beton-Ei ausgebaut wird. Dabei ist unstrittig, dass Weine aus der gleichen Rebsorte deutlich unterschiedlich schmecken, je nachdem woher sie stammen. So sind beispielsweise Moselrieslinge analytisch und geschmacklich leichter als solche aus der Pfalz und es gehört zu den ersten Erfolgserlebnissen fast jedes engagierten Weinanfängers, irgendwann blind die Herkunft Mosel erschmecken zu können.
Aber Terroir meint mehr als diese Unterschiede. Anja erklärt es im Video anhand eines Beispiels. Die berühmten Weinlagen Ürziger Würzgarten und Birkweiler Kastanienbusch liegen 150 Kilometer auseinander in den Anbaugebieten Mosel und Pfalz, bestehen aber beide aus identischem Rotschiefer. Die Umgebung des Kastanienbusch’ besteht überwiegend aus Lagen ohne Schiefer, dafür mit hohem Anteil von Ton und Muschelkalk. Nur wenige Kilometer von Ürzig entfernt liegt das Moselörtchen Graach, dessen Lagen nur wenig Schiefer, aber einen hohen Tonanteil aufweisen, was zu kräftigen Weinen führt, weswegen in Graacher Himmelreich und Domprobst neben Riesling auch viel Spätburgunder steht. (Wir mussten im Video mit den Requisiten etwas schummeln, da Anja im Laden gerade nur einen Spätburgunder aus Graacher Lage hatte, wir beziehen uns in unserer Unterhaltung aber natürlich auf Rieslinge aus Graach.)
Nehmt ihr nun einen beliebigen Pfälzer Riesling, einen Riesling aus dem Kastanienbusch, dem ÜrzWürz (wie Rieslingfreaks den Würzgarten gerne flapsig nennen) und aus einer Graacher Lage und verkostet diese vier in einer Blindprobe, werdet Ihr mit nur ein bisschen Übung die beiden Moselaner und Pfälzer gruppieren. Gleichzeitig könntet Ihr aber in einer weiteren, getrennten Blindprobe verschiedener Pfälzer und Moselaner bei den ersteren die Weine aus dem Kastanienbusch herausfiltern, weil sie einfach etwas untypisch für die Pfalz sind. Bei den Rieslingen von der Mosel könntet Ihr vermutlich die Graacher isolieren, weil auch sie im Kontext andersartig sind.
Wir leiten aus diesen Erfahrungen ab, dass Terroir ein sinnvolles Konzept ist. Zwei Weine von identischen Böden schmecken durchaus unterschiedlich, wenn sie weit voneinander entfernt wachsen, andererseits stehen sie innerhalb ihres Anbaugebietes heraus, wenn der Boden stark vom üblichen abweicht. Boden allein reicht also nicht als geschmacksprägende Komponente. Welche Rolle die einzelnen anderen Komponenten für das Terroir spielen, also Hangneigung, Wasserversorgung, Mikroklima und so weiter, das vermögen wir nicht abschließend zu bestimmen, da ist Terroir eben doch Glaubenssache. Wir wollen Euch aber ganz bewusst dahingehend beeinflussen, dass das Konzept des Terroir ein spannender und bereichernder Aspekt der Weinwelt ist.
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